Maximilian von Heyden
Henrik Jungaberle
Tomislav Majić Hrsg.
Systematik und Kritik des deutschen Betäubungsmittelrechts und dessen Weiterentwicklung: Verfassungsrechtliche Aspekte
Lorenz Böllinger
Seit 1972 wird das Betäubungsmittelgesetz angewandt, vom Bundesverfassungsgericht 1994 hinsichtlich Cannabis für verfassungskonform erklärt. Der Stand der Rechts- und Humanwissenschaften erfordert jedoch einen Paradigmenwechsel. Aus prinzipieller strafrechtstheoretischer und verfassungsrechtlicher Sicht ist das BtMG verfassungswidrig. Diffuse Rechtsgüter wie „Volksgesundheit“ und „soziales Zusammenleben“ genügen nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsprinzip und Willkürverbot, Konsum ist nicht fremdschädigend. Deshalb dürfen auch konsumfördernde Handlungsweisen nicht kriminalisiert werden. Der „Drogenkrieg“ ist gescheitert, weil der Staat keinerlei Kontrolle über Herstellung und Vertrieb besitzt und kontraproduktive Nebenwirkungen erzeugt. Strafrecht als Mittel zur Bekämpfung von Drogenrisiken ist ungeeignet, unnötig und unverhältnismäßig, mithin ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip als herausragende Maxime unserer Rechtsordnung verletzt. Nötig sind: umfassende Entkriminalisierung des Drogenumgangs, drogenspezifische Regulierung und gesundheitsrechtliche Bewältigung der Drogenrisiken.
Lorenz Böllinger
Prof. em. Dr. jur. Dipl.-Psych.
Lorenz Böllinger (*1944). Jurastudium und Promotion (1978) Uni Frankfurt/M, Psychologiediplom 1982), Psychoanalytiker, Psychotherapeut, Forensischer Psychologe (seit 1989). Seit 1982 Professor für Strafrecht und Kriminologie, Universität Bremen; Emeritierung 2009. Forschende Praxis in der psychotherapeutischen Behandlung von Gewalt-, Sexual- und Drogen-Straftätern sowie in der Supervisionsarbeit mit Institutionen und Behandlern in diesen Bereichen.
DOI: 10.1007/978-3-642-55214-4_5-1
Online ISBN: 978-3-642-55214-4