Gesundheitliche Lage der Bevölkerung: Vergiftungen und Notfälle
Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis in den USA
Prof. Dr. Gundula Barsch (Januar 2017) –Text als PDF herunterladen
Hinweise zu Veränderungen in der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung ergeben auch Statistiken sowohl zur Zahl der Anrufer, die nach eigenen Einschätzungen wegen Sorgen und Schwierigkeiten durch Marihuana-Konsum Expertenrat suchen, als auch zu Nachfragen in Rettungsstellen und Notaufnahmen, für die ein Zusammenhang mit einem Marihuana-Konsum hergestellt wurde:
Deutlich wird, dass die freie Verfügbarkeit von Marihuana erstens dazu führt, dass sich eine starke Diversifizierung der konsumierbaren Produkte vollzieht, die u. a. auch mit der Entwicklung einer neuen Koch- und Backkultur unter Verwendung von Marihuana einhergeht. Dabei zeichnen sich allerdings Gefahren ab, dass Marihuana zweitens ungewollt von Kindern und Jugendlichen konsumiert wird, weil diese Produkte nicht als solche deklariert sind, weil sie mit anderen Lebensmitteln verwechselt werden oder den Konsumierenden von anderen Personen als vermeidlich nicht-Marihuana-haltig ausgegeben werden. Drittens kann vermutet werden, dass die im Regulierungsgesetz ausdrücklich festgelegte Forderung, nicht in der Öffentlichkeit und auch nicht öffentlich beobachtbar zu konsumieren, dazu führt, dass dies in den heimischen Wänden erfolgt, wodurch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass auch Kinder beispielsweise durch Rauch und Verdampfung ungewollt der Substanz ausgesetzt werden. Viertens entstehen durch hochkonzentrierte Haschisch-Öle schneller Gefahren für eine Überdosierung mit höchst unangenehmen körperlichen und psychischen Effekten.
Abzuwarten bleibt, ob sich diese Entwicklungen als generelle Trends durchsetzen oder durch Lernprozesse zum Umgang mit Marihuana in der Bevölkerung bewältigt werden und sich als ein Durchgangsphänomen herausstellen. Erkennbar ist jedoch, dass sich Krisen und Unfälle beim Umgang mit Marihuana im Zuge einer Regulierung regelmäßig einstellen können, weshalb durch Drogenerziehung und Suchtprävention diverse Aktivitäten gefordert sind, Wissen und Kenntnisse rechtzeitig in der Bevölkerung zu popularisieren und mit alltagspraktischen Hinweisen und Tipps einen Beitrag zu leisten, um diesen unerwünschten Effekte entgegenzutreten.
Das Regulierungsmodell Kaliforniens hat aus diesen Bezügen lernend sehr ausführlich und detailliert festgelegt, wie alle Produkte, die in irgendeiner Form Marihuana enthalten, als solche zu deklarieren, gesondert auszuweisen und mit einer Kindersicherung zu versehen sind. Darüber hinaus liegt auf der Hand, dass im Prozess der Umsetzung der Regulierung deutlich darauf hinzuweisen ist, wie Marihuana-Produkte im eigenen Haushalt zu lagern sind, damit Kinder, Jugendliche und nicht geeignete andere Personen keinen Zugang dazu erhalten.
Leider lässt sich nicht prüfen, ob die Inanspruchnahme des professionellen Hilfesystems unter den Bedingungen der Prohibition in der gleichen Art und Weise erfolgt. Denkbar ist aber, dass es durch die Entkriminalisierung und Entstigmatisierung des Marihuana-Konsums weniger Vorbehalte gibt und damit schneller Hilfe nachgefragt wird, wenn in Zusammenhang mit Marihuana Krisen und Unfälle eintreten. Insofern kann der Anstieg der Fallzahlen nicht unbedingt eine tatsächliche Entwicklung abbilden, sondern auch auf das Sichtbarwerden eines bisherigen Dunkelfelds hinweisen.
Detaillierte Berichterstattung und Literaturverweise unter: http://gundula-barsch.de